Stolpersteine
Stolpersteine in Graurheindorf
Und plötzlich waren sie nicht mehr da…
Seit 1996 verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig sogenannte Stolpersteine. Sie sollen die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Zigeuner/Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig erhalten. Inzwischen gibt es sie in ganz Deutschland und darüber hinaus in weiteren 24 Staaten.
Informationen des städtischen NS-Dokumentationszentrum zufolge wurden 6 Graurheindorfer Juden in Konzentrationslagern ermordet, 2 weitere konnten vor der Deportation in die USA fliehen. Die Kurzbiografien finden Sie weiter unten. Um auch an sie mit Stolpersteinen erinnern zu können - jeder Stein kostet 300 € - hat der Ortsausschuss Graurheindorf in der ersten Ausgabe 2021 des „Blättche“ einen Spendenaufruf veröffentlicht.
Dank der großartigen Spendenbereitschaft der Graurheindorfer und der organisatorischen Unterstützung durch das NS-Dokumantationszentrums konnten die Stolpersteine am 23.06.2021 auf Höhe der Estermannstr. 100 für die Ehepaare Levy und De Lewie sowie auf Höhe der Estermannstr. 133 für die Familie Mayer verlegt werden.
Die folgenden Kurzbiografien der Familien wurden vom NS-Dokumentationszentrum zur Verfügung gestellt.
Estermannstr. 100
Julius Levy (15.5.1877 – 23.11.1942)
Ottilie Mathilde Levy (04.05.1877 – )
Benjamin de Lewie (06.07.1902 – 17.07.1942)
Frieda de Lewie (20.5.1910 – 30.09.1942)
Der Viehhändler Julius Levy, geb.am 15.05.1877 in Bergheim war Eigentümer des Hauses an der ehemaligen Hauptstr. 100. Mit seiner Frau Ottilie Mathilde, geb. Tobias, geb. am 04.05.1877 in Oberdrees lebt er bis zum 01.07.1942 in diesem Haus.
Am 01.07.1942 muss das Ehepaar in das von der Gestapo beschlagnahmte ehemalige Kloster in Endenich ziehen, welches als Internierungslager für die jüdische Bevölkerung aus Bonn und der Voreifel dient.
Am 27.07.1942 werden Julius und Ottilie von Endenich aus über Köln in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Julius stirbt dort am 23.11.1942, seine Frau Ottilie hat das Glück im Januar 1945 in einem Transport mit 1.200 Menschen in die Schweiz flüchten zu können und überlebt dort.
Frieda de Lewie, geb. Levy, geb. 20.05.1910 in Bonn lebt mit ihrem Ehemann Benjamin, geb. 06.07.1902 ebenfalls im Haus Hauptstr. 100. Beide fliehen 1939 in die Niederlande, der Heimat von Benjamin. Das Paar lebt in Amsterdam, bis sie 1942 in das Internierungs- und Durchgangslager Westerbork gebracht werden. Am 15.07.1942 werden beide von Westerbork aus in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Benjamin wird dort kurz nach der Ankunft am 17.07.1942 ermordet, Frieda wird einige Wochen später am 30.09.1942 ermordet.
Estermannstr. 133
Franziska Mayer (21.11.1855 – 05.08.1942)
Gustav Mayer (27.02.1855 – 16.10.1939)
Johanna Mayer (1881 – 06.01.1939)
Leo Mayer (08.02.1892 – )
Margarete Mayer (31.04.1901 – )
Paula Mayer (12.12.1890 – 24.07.1944)
Der Metzgermeister Gustav Mayer, geb. am 27.02.1855 in Bonn ist Eigentümer und Bewohner des Hauses ehemalige Hauptstr. 133. Zusammen mit seiner Frau Franziska, geb. Baumann, geb. am 29.11.1855 in Storndorf wohnt er bis zu seinem Tod am 16.10.1939 in dem Haus. Gustav und Franziska, genannt Fanny, haben sechs Kinder.
Johanna, geboren 1881, die 1910 Josef Baehr heiratet und am 06.01.1939 -wie ihr Vater - eines natürlichen Todes stirbt.
Am bekanntesten in Bonn ist der älteste Sohn des Paares Siegmund, der am 06.12.1884 geboren wird und später als Rechtsanwalt tätig ist. Siegmund Mayer muss im Juni 1941 die „Selbstverwaltung“ des als Internierungslager genutzten, vorher von der Gestapo beschlagnahmten Klosters in Endenich übernehmen. Sein Elternhaus in der Estermannstr. 133 wird zu diesem Zeitpunkt schon als „Judenhaus“ für die zwangsweise Unterbringung jüdischer Einwohner aus dem Bonner Norden genutzt, die dann von dort in das Internierungslager umziehen müssen.